Gesundheit am Arbeitsplatz: eine strategische Herausforderung für die Personalabteilung
Chronischer Stress, Erschöpfung, Hyperkonnektivität, Sinnsuche, Alterung der Erwerbsbevölkerung… In den letzten Jahren ist die Gesundheit am Arbeitsplatz zu einer strategischen Herausforderung für die Personalabteilung geworden.
Angesichts der rasanten Veränderungen in der Arbeitswelt – Telearbeit, künstliche Intelligenz, generationsübergreifende Zusammenarbeit – muss sich die Personalabteilung anpassen, vorausschauend handeln und manchmal ihre Praktiken überdenken, um die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen.
Welche Herausforderungen erwarten Unternehmen in den kommenden Jahren? Wie kann man die Gesundheit am Arbeitsplatz als Hebel für Engagement und Mitarbeiterbindung nutzen? Und vor allem: Wie kann die Personalabteilung angesichts zunehmend systemischer Herausforderungen proaktiv handeln? Isabelle Kunze, Leiterin Corporate Health Services, beleuchtet diese Fragen und gibt konkrete Anregungen.
Was sind die wichtigsten Herausforderungen im Bereich Gesundheit am Arbeitsplatz für die Personalabteilung in den kommenden Jahren?
Die grössten Herausforderungen betreffen Bewegungsmangel und Muskel-Skelett-Erkrankungen, vor allem aber psychosoziale Risiken und Stress. Diese Probleme betreffen immer mehr Mitarbeiter, und auch die jüngeren Generationen bleiben davon nicht verschont.
Ausserdem gibt es neue Herausforderungen: mit der Hyperkonnektivität umgehen, die richtige Balance zwischen Homeoffice und Rückkehr ins Büro finden und Vielfalt und Inklusion stärken, indem man auf spezielle Bedürfnisse eingeht – zum Beispiel die Gesundheit von Frauen, Männern oder Menschen mit Behinderungen.
Welche Entwicklungen sehen Sie im Umgang mit dem Thema Gesundheit am Arbeitsplatz?
Viele Unternehmen verhalten sich nach wie vor reaktiv: Sie warten, bis Probleme auftreten, bevor sie handeln. Aber die Erwartungen der Mitarbeiter haben sich geändert. Sie wünschen sich echte Massnahmen, die über Fitnesskurse oder Obstkörbe hinausgehen.
Die mit Abwesenheiten verbundenen Kosten, sowohl finanzieller als auch menschlicher Art, sind ebenfalls ein Grund zum Handeln.
Schliesslich hat die Rolle der Führungskräfte eine zentrale Bedeutung erlangt: Die Leitung von Teams hat heute nichts mehr mit dem zu tun, was sie vor dreissig Jahren war. Daher müssen neben den technischen Kompetenzen (Hard Skills) auch die mittlerweile unverzichtbaren Soft Skills entwickelt werden.
Wie hat sich die Rolle der Personalabteilung angesichts dieser Herausforderungen verändert?
Die Personalabteilung steht selbst unter Druck und ist manchmal erschöpft. Dennoch hat sie eine Schlüsselrolle inne: vorausschauend handeln, schulen, sensibilisieren und aktiv werden, bevor Probleme auftreten.
Ein wesentlicher Schwerpunkt ist die Schulung der Führungskräfte. Sie sind die ersten Ansprechpartner für die Teams und müssen in der Lage sein, Risiken vorzubeugen. Die Personalabteilung muss ausserdem Flexibilität und Eigenverantwortung fördern, im Einklang mit einer Unternehmenskultur, die vom Top-Management gelebt und verkörpert wird.
Welche Herausforderungen muss die Personalabteilung angesichts der Alterung der Erwerbsbevölkerung antizipieren?
Das ist eine ausgezeichnete Frage, denn für mich ist das ein echtes Problem. Wir wissen, dass die Bevölkerung altert und dass eine grosse Zahl von Mitarbeitern bald in den Ruhestand gehen wird. Das bedeutet, dass in bereits angespannten Bereichen wie dem Gesundheitswesen, wo es einen echten Mangel an qualifizierten Fachkräften gibt, Stellen zu besetzen sind. Aber die Realität ist auch, dass es für Senioren ab einem bestimmten Alter viel schwieriger wird, eine Anstellung zu finden.
Die Unternehmen müssen sich anpassen: Sie müssen flexiblere Arbeitszeiten anbieten, bestimmte Aufgaben überdenken und die Erfahrung älterer Mitarbeiter durch Mentoring, Schulungen oder Kompetenztransfer wertschätzen. Die generationsübergreifende Zusammenarbeit wird ein wichtiger Vorteil sein.
Welche Ratschläge würden Sie der Personalabteilung geben, um ihr Unternehmen auf die Herausforderungen von morgen vorzubereiten?
Zunächst sollten Veränderungen und ihre Auswirkungen antizipiert werden. Anschliessend müssen zuverlässige Indikatoren – Fehlzeiten, Präsentismus, Fluktuation – eingeführt werden, um einen klaren Überblick über die Situation zu erhalten.
Schliesslich sollte in Prävention und Schulungen investiert werden: Manager sollten entsprechend ausgestattet werden und frühzeitig handeln, um Probleme zu vermeiden, anstatt sie später beheben zu müssen.